Das Tessar*-Objektiv gehört zu den berühmtesten und einflussreichsten Objektivkonstruktionen in der Geschichte der Fotografie. Es wurde 1902 von dem deutschen Physiker Dr. Paul Rudolph bei der Firma Carl Zeiss entwickelt. Der Name „Tessar*“ leitet sich vom griechischen Wort tessera ab, was „vier“ bedeutet – ein Hinweis auf die Konstruktion mit vier Linsen in drei Gruppen.
Grundaufbau: Das Tessar*-Design besteht aus vier Linsen, die in drei Gruppen angeordnet sind:
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Eine einzelne positive (konvergierende) Linse vorne.
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Eine negative (divergierende) Linse in der Mitte.
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Ein verkittetes Dublett (eine positive und eine negative Linse zusammengefügt) hinten.
Diese einfache, aber geniale Weiterentwicklung des älteren Cooke Triplet-Designs brachte einen entscheidenden Fortschritt: Durch das ersetzte Hinterelement konnte man Abbildungsfehler, insbesondere Astigmatismus, deutlich besser korrigieren. Das Ergebnis war ein flacheres Bildfeld und eine höhere Schärfe.
Wichtige Merkmale:
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„Das Adlerauge Ihrer Kamera“: Mit diesem berühmten Werbespruch wurde das Tessar* beworben. Es war bekannt für seine außergewöhnliche Schärfe und den hohen Kontrast – besonders abgeblendet – und galt als Hochleistungsobjektiv seiner Zeit.
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Einfach und kompakt: Mit nur vier Linsen ist die Konstruktion relativ simpel und günstig herzustellen. Dadurch konnten kompakte, leichte Objektive gebaut werden – beliebt sowohl in hochwertigen Klappkameras als auch in kleineren Reisekameras.
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Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Das Tessar* bot einen hervorragenden Kompromiss zwischen optischer Qualität und Herstellungskosten. Es war deutlich besser korrigiert als einfache Triplet-Objektive, aber weit günstiger als spätere komplexere Konstruktionen.
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Hervorragendes Ebenenfeld: Eine der größten Stärken des Tessar*s ist seine gleichmäßige Schärfe von der Bildmitte bis zu den Ecken. Dies machte es besonders für Landschafts- und Architekturfotografie geeignet.
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Großer Blendenbereich: Frühe Tessar*e hatten eine Anfangsöffnung von etwa f/6,3. Spätere Neuberechnungen erlaubten deutlich größere Blendenöffnungen wie f/4,5, f/3.5 oder sogar f/2,8, (je nach Brennweite) was den Einsatzbereich erheblich erweiterte.
Tessar*-Typ-Objektive
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Schneider* Xenar*
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Leica* Elmar*
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Voigtländer* Skopar*
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Kodak* Ektar*
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Minolta* Rokkor*
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Bronica* Nikkor* (einige Modelle)
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Industar (weit verbreiteter Tessar*-Typ aus der Sowjetunion)
Vermächtnis und moderne Verwendung:
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Das Tessar* hatte einen gewaltigen Einfluss auf die Fotografie. Über Jahrzehnte war es das Standardobjektiv für Millionen von Kameras – von Mittelformat-TLRs (z. B. Rolleiflex) über 35mm-Messsucher bis hin zu frühen Spiegelreflexkameras.
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Heute sind Vintage-Tessar*e bei Sammlern und Fotografen beliebt, da sie einen unverwechselbaren, klassischen Bildcharakter liefern. Sie werden geschätzt für:
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Schärfe: Auch nach heutigen Maßstäben liefert ein gutes Tessar* sehr scharfe Bilder, besonders abgeblendet.
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Kontrast und Farbe: Während frühe unvergütete oder einfach vergütete Versionen anfällig für Flares sind, liefern mehrfach vergütete Tessar*e hervorragenden Kontrast und satte Farben.
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Charaktervolles Bokeh: Die Unschärfe wirkt oft angenehm und besitzt eine klassische Anmutung, die sich von modernen Objektiven unterscheidet.
I Summe, das Tessar* ist eine vierlinsige Objektivkonstruktion, die die Fotografie revolutionierte, indem sie eine perfekte Balance aus Schärfe, Kompaktheit und Erschwinglichkeit bot. Sein Erbe lebt bis heute fort – in unzähligen Kameras und in der Wertschätzung von Fotografen, die seinen klassischen Look lieben.
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